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Vitamin D-Mangel lässt Blutgefäße verkalken

Kalk in den Adern

Bisher sollen nur toxische Dosen an Vitamin D für eine Verkalkung der Gefäße verantwortlich sein, doch zeigen neue Erkenntnisse in verschiedenen Tier­modellen, dass auch Vitamin D-Mangel die Gefäßkalzifizierung fördert. Entscheidend für den Krankheitsverlauf, bei dem diese vaskulären Veränderungen durch Vitamin D-Mangel eine Rolle spielen, könnten Transdifferenzierungen von ­vaskulären Zellen zu osteoblastenähnlichen Zellen sein.

Vitamin D kann auf eine lange Geschichte zurück­blicken. Obgleich der Vitamin D-Mangel bereits Mitte des 17. Jahrhunderts wissenschaftlich beschrieben wurde, gelang es erst im 20. Jahrhundert, die chemische Struktur der D-Vitamine aufzuklären. Adolf Windaus von der Universität Göttingen, der wesentlich zur Erforschung der Sterine und ihren Zusammenhang mit Vitaminen beitrug, erhielt dafür im Jahr 1928 den Nobelpreis für Chemie. Vitamin D als Vitamin zu bezeichnen, ist streng genommen nichtzutreffend, da es weder ein Amin ist noch zwingend mit der Nahrung aufgenommen werden muss. In der Natur kommt Vitamin D als Cholecalciferol (Vitamin D3) oder Ergocalciferol (Vita­min D2) vor. Es wird seit mehr als 500 Mio. Jahren in Lebewesen produziert, vermutlich, um Nukleinsäuren und Proteine vor der schädlichen UV-Strahlung zu schützen.


Abb.1 links: Cholecalciferol (Vitamin D3); rechts: Ergocalciferol (Vitamin D2)

Von der Cholesterolsynthese zum Schlüsselregulator

Mit Ausnahme einiger fettreicher Fischarten enthalten Lebensmittel nur sehr geringe Mengen an Vitamin D. Der Haupteintrag erfolgt durch endo­gene Synthese nach Exposition der Haut mit ultravioletter Strahlung im Wellenlängenbereich zwischen 290 und 310nm (Abb.2). Als Ausgangs­substrat dient kutanes 7-Dehydrocholesterol aus dem Kandusch Russell Pathway der Cholesterol­synthese. Durch Photoisomerisierung entsteht das chemisch instabile Prävitamin D3, das in einer zeit- und temperaturabhängigen Reaktion zu Vitamin D3 umgewandelt wird. Melanin konkurriert mit 7-Dehydrocholesterol in der Haut um UV-B-Photonen und schützt vor den Auswirkungen intensiver UV-Strahlung. Bis auf ­wenige Ausnahmen ist zu beobachten, dass die Haut von äquatorfern lebenden Menschen deutlich weniger Pigmente aufweist als die von Menschen in Regionen hoher UV-Intensität. Die Entwicklung hin zu einem helleren Hauttyp wird als selektiver Evolutionsschritt betrachtet, die Vitamin D-Versorgung äquatorfern lebender Menschen zu sichern [1].


Abb.2 Die endogene UV-abhängige Synthese von Vitamin D im Stratum spinosum und Stratum basale der Epidermis; bei UV-Bestrahlung entstehen auch zahlreiche inaktive Vitamin D-Metaboliten.

Alimentär aufgenommenes Vitamin D und endogen gebildetes Vitamin D werden im Blut an ein Vitamin D-Bindungsprotein gekoppelt und in der Leber mithilfe von 25-Hydroxylasen zu 25-Hydroxyvitamin D (25(OH)D) umgewandelt. Da diese Reaktion in erster Linie von der Substratmenge abhängt, spiegelt 25(OH)D im Plasma den aktuellen Vitamin D-Status relativ gut wider. 25(OH)D wird deshalb auch als Biomarker zur Beurteilung des Vitamin D-Versorgungsgrades verwendet, obgleich die Höhe der optimalen 25(OH)D-Spiegel zur Prävention von Krankheiten derzeit noch kontrovers diskutiert wird. In den Nieren wird 25(OH)D mithilfe der 1a-Hydroxylase in das stoffwechselaktive Vitamin D-Hormon (Calcitriol) überführt. Calcitriol ist ein Schlüsselregulator der intestinalen Calcium- und Phosphatabsorption. Diese Funktion erfüllt Calcitriol nur in Wechselwirkung mit dem 1969 entdeckten Vitamin D-Rezeptor, einem liganden­aktivierbaren Transkriptionsfaktor aus der Fa­milie der Steroidrezeptoren (Abb.3).


Abb.3 Wirkung des Vitamin D-Rezeptors (VDR) als Transkriptionsfaktor; CoReg: Co-Regulatoren, RXR: Retinoid X-Rezeptor

Die Bindung von Calcitriol an den Vitamin D-Rezeptor löst in diesem eine Konformationsänderung aus. Nach Translokation des Komplexes in den Zellkern und Heterodimerisierung mit dem Retinoid X-Rezeptor erfolgen die Bindung an Vitamin D-responsive Elemente der DNA und unter Beteiligung von Coaktivatoren und -repressoren die Transkription von Genen ­(Abb.4). Mit der Identifizierung von mehr als 2.700 Vitamin D-Rezeptorbindungsstellen im huma­nen Genom [2] sowie der Entdeckung, dass Vitamin D auch nichtkodierende RNA und epigenetische Prozesse beeinflusst [3], wurde deutlich, wie umfassend die Wirkungen von Vitamin D im Organismus vermutlich sind.


Abb.4 Struktur des Vitamin D-Rezeptors (Bildquelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Calcitriol_receptor, Stand: 20.11.2014)

Vaskuläre Zellen unter dem Einfluss von Vitamin D

Vitamin D-Rezeptoren wurden auch in Kardiomyozyten, Endothelzellen sowie glatten Muskel­zellen nachgewiesen. Untersuchungen an Vitamin D-Rezeptor-defizienten Mäusen haben ge­zeigt, dass diese im Bereich der Herzklappen mehr Kalzifizierungen aufweisen als vergleichbare Wildtypmäuse [4]. Die Zunahme der Kalzifizierung war auch zu beobachten, wenn Wildtyp-Mäuse und LDL-Rezeptor-defiziente Mäuse über einen längeren Zeitraum Vitamin D-arm ernährt wurden (Abb.5) [5]. Diese vaskulären Kalzifizierungen traten unabhängig von arteriosklerotischen bzw. inflammatorischen Prozessen auf und verstärkten sich mit Dauer des Vitamin D-Mangels. Die Plasmakonzentrationen an Calcium und Phosphat blieben hingegen unver­ändert und lieferten keine Erklärung für die beobachteten Effekte.

Studien an Vitamin D-Rezeptor-defizienten Mäusen sowie Vitamin D-arm ernährten Mäusen machten deutlich, dass die besonders kalzifizierungsgefährdeten Gefäßbereiche bei Vitamin D-Mangel eine besonders hohe Expression der Os­teo­blastendifferenzierungsfaktoren Runt-related transcription factor 2 (RUNX2), Bone morphogenetic protein 2 (BMP2) oder Msh homeobox 2 (MSX2) aufwiesen (Abb. 6) [4,5].


Abb.5 A) Histologische Auswertung von Gefrierschnitten mit Darstellung der Kalzifizierung (schwarz, Von-Kossa-Siberfärbung) im Bereich der Aortenklappen von Vitamin D-Rezeptor-knock-out-Mäusen (gefüttert mit einer calcium- und phosphatreichen rescue diet) im Vergleich mit Wildtypmäusen, die entweder eine rescue diet oder eine Diät mit normaler Calcium- und Phosphatversorgung erhielten. B) Auswertung der Kalzifizierungsflächen und C) Zahl der Kalzifizierungsspots in den Aortenklappen von Vitamin D-Rezeptor-knock-out-Mäusen (VDR-/-) und Wildtyp-Mäusen (WT), die eine rescue diet (RD) oder Diät mit normaler Calcium- und Phosphatversorgung (ND) erhielten (Daten publiziert in [4]).


Abb.6 Expression des Runt-related transcription factors 2 (RUNX2) in der Aortenklappe von Vitamin D-Rezeptor-knock-out Mäusen (gefüttert mit einer calcium- und phosphatreichen rescue diet) im Vergleich mit Wildtypmäusen, die entweder eine rescue diet oder eine Diät mit normaler Calcium- und Phosphatversorgung erhielten (Daten publiziert in [4]).

Die induzierten Veränderungen durch Vitamin D-Mangel waren im Gefäßsystem mit einer vermehrten Bildung Alkalischer Phosphatase und einer verminderten Expression von a-Aktin als Marker für glatte Muskelzellen verbunden [5]. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass sich bei Vitamin D-Defizit vaskuläre Zellen zu osteo­blastenähnlichen Zellen umwandeln und diese – ähnlich den Knochenzellen – Calcium und Phosphat aus dem Plasma aufnehmen und anreichern. Die Ergebnisse könnten erklären, warum Patienten mit chronischen Nierenerkrankun­gen und einer gestörten Calcitriolsynthese häufig eine ausgeprägte Kalzifizierung im Bereich der arteriellen Gefäße aufweisen und weshalb niedrige 25(OH)D-Spiegel mit dem Auftreten von Verkalkungen im Bereich der Aorta assoziiert sind.

Schlussbemerkung

Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass nur toxische Dosen an Vitamin D eine vaskuläre Kalzifizierung induzieren, zeigen neue Erkenntnisse in verschiedenen Tiermodellen, dass auch Vitamin D-Mangel die Gefäßkalzifizierung fördert. Der zu Grunde liegende Pathomechanismus für diese vaskulären Veränderungen bei Vitamin D-Mangel basiert vermutlich auf einer Transdifferenzierung von vaskulären Zellen zu osteoblastenähnlichen Zellen.

Literatur
[1] Jablonski N.G. & Chaplin G. (2010) Proc. Nat. Acad. Sci. 107, 8962–8968
[2] Ramagopalan S.V. et al. (2010) Genome Res. 20, 1352–1360
[3] Long M.D. et al. (2014) J. Cell. Physiol. DOI: [10.1002/jcp.24847]
[4] Schmidt N. et al. (2012) PLoS One 7, e35316
[5] Schmidt N. et al. (2014) J. Nutr. 144, 638–646

Bild: © istockphoto.com| Storman

L&M 1 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2015.
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