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Krebsbekämpfung mit Stammzellen

Krebsbekämpfung mit Stammzellen

Schlafende Helfer

Prof. Dr. Andreas Trumpp, Abteilung Stammzellen und Krebs,
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg und Heidelberger Institut für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin (HI-STEM)

Viele spezialisierte Zellen, etwa in der Haut, Darmschleimhaut oder im Blut, haben nur eine Lebensspanne von wenigen Tagen. Für die Funktionsfähigkeit dieser Gewebe ist daher ein täglicher Nachschub von Millionen neuer Zellen unerlässlich. Zuständig dafür sind die so genannten „adulten“ Stammzellen, die auch als Gewebestammzellen bezeichnet werden.

Foto: Volker Steger

Wenn Stammzellen erwachen.

Gewebestammzellen zeichnen sich durch zwei entscheidende Charakteristika aus: Sie müssen sich ständig selbst erneuern, um die Stammzellen zu erhalten und bilden gleichzeitig durch asymmetrische Teilungen auch hochaktive Vorläuferzellen, die sich zu all den verschiedenartigen Zelltypen ausdifferenzieren, aus denen ihr jeweiliges Gewebe aufgebaut ist – eine Eigenschaft, die man als Multipotenz bezeichnet. Kürzlich konnten wir zeigen, dass im Knochenmark der Maus die potentesten Blutstammzellen mit der höchsten Selbsterneuerungsaktivität überraschend in einer Art Schlafzustand verharren [1]. Im gesunden erwachsenen Tier teilen sich diese metabolisch inaktiven Zellen nur ca. fünfmal im ganzen Leben, was einer Teilungsrate von 18 Jahren im Menschen entsprechen würde. Wird das Blutsystem aber geschädigt, durch Blutung, Infektion oder Vergiftung – z.B. durch Chemotherapie –, so erwachen diese hochpotenten Stammzellen und produzieren rasch Milliarden von neuen Blutzellen um das System möglichst schnell zu reparieren. Ist dies erfolgreich, so fallen diese Stammzellen wieder in den Tiefschlaf zurück.

Geschützt im Schlaf

Der Tiefschlaf ist ein wichtiger Schutzmechanismus der Stammzellen: Erstens bewahren sie so ihr Erbgut vor Genveränderungen, die sich vor allem während einer Zellteilung ereignen und zur Transformation in Tumorstammzellen führen kann. Darüber hinaus entgehen sie im Schlaf auch der Attacke infektiöser Agentien und vieler Zellgifte, die v. a. sich teilende Zellen angreifen. Tumorstammzellen entstehen durch Genveränderungen in normalen Stammzellen oder auch Vorläuferzellen und stehen im Verdacht, nicht nur die bösartigsten Zellen innerhalb eines Tumors zu sein, sondern auch eine hohe Resistenz gegen Chemotherapie und Bestrahlung zu besitzen [2]. Man geht inzwischen davon aus, dass wenige therapieresistente Tumorstammzellen im Patienten verbleiben und diese die Ursache für das gefürchtete Wiederaufflammen des Tumors (Rezidiv) und auch für die Metastasierung verantwortlich sind. Ein Grund für diese Resistenz liegt möglicherweise an ihrem zeitweiligen Schlafzustand, verbunden mit metabolischer Inaktivität, was diese Zellen gegen Zellgifte oder DNA-schädigende Bestrahlung weitgehend unempfindlich macht. Foto: Volker Steger Stammzelle in ihrer Nische.


Foto: DKFZ

Ein Botenstoff als Wecker

Wir konnten in jüngster Zeit zeigen, dass Interferon alpha, ein Botenstoff des Immunsystems, überraschend als ein Wecker für Blutstammzellen verwendet werden kann [3]. Interessanterweise wurden die durch Interferon alpha aktivierten Stammzellen auch hochsensitiv für bestimmte Chemotherapien und konnten vollständig eliminiert werden. Möglicherweise könnte eine Vorbehandlung mit Interferon alpha nicht nur Blutstammzellen, sondern ebenso Tumorstammzellen aus dem Schlafzustand wecken und damit ihre oft beobachtete und für den Patienten meist verheerende Resistenz gegen viele Krebsmedikamente brechen. Klinische Beobachtungen weisen bereits darauf hin, dass diese Vermutung mehr ist als reines Wunschdenken: Patienten, die an chronisch myeloischer Leukämie leiden und mit dem Medikament Gleevec® behandelt werden, erleiden nach Absetzen des Medikaments fast immer Rückfälle. Bei einigen Patienten wurde jedoch vor der Gleevec-Therapie Interferon alpha verabreicht, diese erlebten überraschenderweise lange rückfallfreie Phasen ohne jegliche Medikation. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass Leukämiestammzellen möglicherweise durch die vorgeschaltete Interferongabe geweckt und damit für die Eliminierung durch das Medikament Gleevec® sensibilisiert wurden.

Ausblick

Dieses neuartige Therapiemodell – kurze Vorbehandlung mit Interferon alpha, gefolgt von gerichteter Chemotherapie mit Gleevec® – wird nun gezielt und direkt an CMLPatienten in Zusammenarbeit mit den Kliniken in Heidelberg/ Mannheim und Jena getestet. Falls es sich als erfolgreich erweist, besteht die Hoffnung, dass sich solch ein Zweistufen-Konzept möglicherweise auch auf solide Tumoren ausweiten lässt.


Literatur:
[1] Wilson A., Laurenti E., Oser G.M., van der Wath R.C., Blanco-Bose W.E., Dunant C., Bockamp E., Liò P., MacDonald H.R. and Trumpp A. (2008). Hematopoietic stem cells reversibly switch from dormancy to self-renewal during homeostasis and repair. CELL, 135: 1118-1129.
[2] Andreas Trumpp and Otmar D. Wiestler, (2008). Targeting the evil Twin. Nature Clinical Practice Oncology, Jun;5 (6):337-47.
[3] Marieke A.G. Essers, Sandra Offner, William E. Blanco-Bose, Zoe Waibler, Ulrich Kalinke, Michel A. Duchosal and Andreas Trumpp (2009). IFNa activates dormant HSCs in vivo. Nature. 2009 Apr 16; 458 (7240):904-8.

Foto1: Volker Steger

Foto2: DKFZ

Stichwörter:
Stammzellen, Krebs, Leukämie, Stammzellforschung, Interferon alpha, Gleevec, Chemotherapie

L&M 5 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2009.
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