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LC-MS/MS in der Abwasseranalytik - Kläranlagen

Sildenafil, Tadalafil & Vardenafil

Prof. Dr. Thomas P. Knepper1, Dr. Manuela Peschka1, A. Nieto 1,2
1 Hochschule Fresenius
2 Universitat Rovira i Virgili. Campus Sescelades

Kläranlagen stellen eine Haupteintragsquelle für organische Schadstoffe in die Umwelt dar. Die vielfältige Nutzung des Rohstoffs Wasser durch den Menschen ist beachtlich.

Nach Gebrauch finden sich häufig anthropogene Schadstoffe im Abwasser wieder, welches zur Aufreinigung in eine Kläranlage geleitet oder direkt wieder verwendet wird. Das Kläranlagenablaufwasser enthält oft ein breites Spektrum an Kontaminanten wie Pflanzenschutzmittel, Tenside, Detergentien, Industriechemikalien, Pharmazeutika [1–3], welche durch die Kläranlage unzureichend eliminiert wurden. In der aquatischen Umwelt können diese einerseits dispergieren und unterliegen andererseits zudem zahlreichen biotischen und abiotischen Einflüssen, die zu einem Abbau bis hin zur Mineralisation führen können [4–5].
Um das Verhalten und den Verbleib organischer Schadstoffe in einer Kläranlage oder der aquatischen Umwelt zu verstehen, müssen empfindliche analytische Methoden entwickelt sowie adäquate Abbaustudien durchgeführt werden, die es ermöglichen, geringe Konzentrationen in der Umwelt nachzuweisen sowie unbekannte Strukturen aufzuklären [6,7].
Auf die oben beschriebene Weise gelangen auch verschiedene Stimulanzien wie Kokain oder Amphetamine in die natürlichen Gewässer [8,9,10]. In der Regel ist der Konsum illegaler oder verschreibungspflichtiger Stimulanzen höher als die legal in Umlauf gebrachte Menge.
Unsere neusten Untersuchungen zeigen die Belastung mehrerer Kläranlagenabläufe in Deutschland und Spanien mit den Phosphodiesterase-5 Inhibitoren Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil. Zudem wurde die kommunale Kläranlage in Tarragona über das Jahr 2008 hinsichtlich ihrer Eliminationseffizienz und der Verteilung der Substanzen zwischen Abwasser und Klärschlamm untersucht. Phosphodiesterase-5 Inhibitoren werden zur -Behandlung von Erektionsstörungen eingesetzt. Ihre -Wirkung beruht auf der selektiven Inhibition der Phosphodiesterase-5, welche den cyklischen Guanosin-Monophosphat (cGMP)-Spiegel senkt. Die dadurch bedingte Erhöhung des cGMP-Levels führt zur Gefäßerweiterung, was das Einströmen von Blut ermöglicht. Sildenafil stand zudem im Verdacht, als -Dopingmittel missbraucht zu werden, weil der erhöhte Blutstrom auch einen erhöhten Sauerstofftransport mit sich bringt.
Für jede Matrix (Zulaufwasser, Ablaufwasser und Klärschlamm) wurde eine sensitive analytische Methode entwickelt und validiert, welche auf Festphasenextraktion (SPE) oder beschleunigter Lösemittelextraktion (PLE, pressurized liquid extraction) und anschließender Bestimmung mittels Flüssigchromatographie – Tandem Massenspektrometrie (LC-MS/MS) basiert. Die analytischen Methoden erlaubten eine Bestimmung im unteren ng/L bzw. ng/g-Bereich. Zur Beurteilung der Abbaubarkeit von Sildenafil wurde im Rahmen dieser Arbeit ein Festbettbioreaktor eingesetzt. Der Festbettbioreaktor profitiert von seiner Anlehnung an reale Gegebenheiten und garantiert somit eine hohe Umweltrelevanz der Abbauprodukte im Vergleich zu mikrobiellen Abbauversuchen mit Reinkulturen.

Material und Methoden

Probenahme

Stichproben von insgesamt neun verschiedenen Kläranlagenabläufen kommunaler Kläranlagen in Spanien und Deutschland wurden beprobt (Deutschland: Frankfurt/Main, Darmstadt, Gießen, Bad Orb, Bad Homburg von der Höhe, Bad Nauheim und Wiesbaden; Spanien: Tarragona und Reus). Die Wasserproben wurden in Braunglasflaschen gefüllt und bei 4?°C bis zur Aufarbeitung gelagert.
Zudem wurden über das Jahr 2008 Zulauf-, Ablauf- (24-h Mischproben) und Klärschlammproben aus der Kläranlage Tarragona entnommen.

Probenvorbereitung

Für die Festphasenextraktion von Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil aus wässrigen Proben wurde OASIS-HLB (Waters, Eschborn) als Sorbens eingesetzt. Dieses wurde mit 2 mL Hexan, 6 mL Methanol und 10 mL Grundwasser (Niedernhausen) konditioniert. Das Probenvolumen für die Kläranlagen-Zuläufe betrugt 100 mL und für die Abläufe 200 mL. Vor der Festphasenextraktion wurden die Proben filtriert (Zellulose-Filter; 0,45 µm) und mit 20 ng des internen Standards Fluazifop-butyl (c = 1 ng/µL in Aceton) dotiert. Nach Probenaufgabe (Fluss: 10 – 15 mL/min) und Trocknen des Sorbens im Stickstoffstrom wurden die Analyten mit 1,5 mL Aceton:Ethylacetat (1:1; V:V) eluiert. Der Elutionsschritt wurde zweifach wiederholt und der -Probenextrakt anschließend mit Hilfe von Stickstoff -getrocknet. Die Rückstände wurden in 1?mL Eluent (Acetonitril:Wasser (1:1; V:V) + 5 mmol Ammoniumacetat) aufgenommen.
Für die beschleunigte Lösemittelextraktion wurde der ASE 200 (Accelerated Solvent Extraction, Dionex, Sunnyvale, CA, USA)-Extraktor verwendet. Klärschlammproben wurden homogenisiert, eingefroren und gefriergetrocknet (Labconco, Kansas City, MO, USA). Anschließend wurden diese gesiebt (125 µm) und je 1 g getrocknete Probe in einer 11-mL Stahlzelle mit Methanol bei 100 °C extrahiert (p = 140 bar). Aluminiumoxid, welches bei 120 °C für 24 h vorbehandelt wurde, diente als Füllmaterial. Die Extraktionszeit betrug 10 Minuten (2 Zyklen zu je 5 Minuten). Die Extrakte wurden abschließend filtriert (0,45 µm) und mittels LC-MS/MS vermessen.

Abbaustudie

Die am häufigsten detektierte Substanz Sildenafil wurde einem Abbautest im Festbettbioreaktor unterzogen. Der Festbettbioreaktor besteht aus einer mit porösen Glaskugeln gefüllten Glaskolonne (Festbett), einem Wassertank und zwei Membranpumpen zur Beförderung des Wassers im geschlossenen Kreis sowie zur Belüftung. Der Wassertank wurde mit 5 L Ablaufwasser der Kläranlage Frankfurt/Main befüllt und mit Sildenafil dotiert (20 mg/L). Bei einem Fluss von ca. 16 mL/min wurde das Wasser für 28 Tage im Kreis gepumpt und belüftet.
Die Belastung des verwendeten Kläranlagenablaufs mit Sildenafil wurde vorab bestimmt.

Analyse

Die Detektion der Analyten erfolgte mit LC-MS/MS. Die chromatographische Separation mit Gradientenelution (Abb. 1). Als Eluenten dienten A: 5 mM Ammoniumacetat in Wasser:Acetontril (95:5, V:V) und B: 5 mM Ammoniumacetat in Acetontril:Wasser (80:20, V:V). Das Gradientenprofil verlief linear bei einem Fluss von 0,3 mL/min. Die stationäre Phase bestand aus einer C-18 Phase (HALO C18; Advanced Material Technology, Wilmington, USA).
Die Detektion erfolgte im MRM-Modus (2 Massenübergänge pro Analyt bzw. interner Standard Fluazifop-butyl [11]) mit der 3200 QTrap (Applied Biosystems, Foster City, CA, USA).

Ergebnisse

Die positiven Befunde der Phosphodiesterase-5 Inhibitoren in allen untersuchten Kläranlagenabläufen zeigen zum einen den weit verbreiteten Gebrauch und zum anderen die unvollständige Elimination der aktiven Bestandteile durch die Kläranlagen. Sildenafil wurde in sämtlichen untersuchten Proben im unteren ng/L- bzw. ng/g-Bereich nachgewiesen [11]. In Spanien wurde Tadalafil lediglich in Klärschlamm detektiert – Vardenafil konnte wiederum in beiden Matrices nachgewiesen werden [11].
Die kommunale Kläranlage in Tarragona weist eine durchschnittliche Eliminationseffizienz von 68 %, 69 % und 80 % für Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil auf [11].
Die am häufigsten detektierte Substanz Sildenafil wurde über einen Versuchszeitraum von 28 Tagen im Festbettbioreaktor nicht mikrobiell abgebaut (siehe Abb. 2). Dies lässt vermuten, dass Sildenafil in der aquatischen Umwelt persistent ist. Zur Klärung sind weiterführende Untersuchungen erforderlich.
Die vorliegenden Untersuchungen zeigen erstmals das Vorkommen dieser Phosphodiesterase-5 Inhibitoren in der aquatischen Umwelt auf, welche durch Kläranlagenabläufe in die Umwelt eingetragen werden.

Literatur
[1] Buttiglieri G, Knepper TP; Removal of Emerging Contaminants in Wastewater Treatment: Conventional Activated Sludge Treatment; in The Handbook of Environmental Chemistry, volume: Emerging contaminants from industrial and municipal wastewaters; Barcelò D, Petrovic M; Springer.
[2] Peschka M, Müller J, Knepper TP, Seel P; Trends in Pesticide Transport into the River Rhine; Handbook of Environmental Chemistry Volume 5, Part L (2006)155–175
[3] Reemtsma T, Weiss S, Müller J, Petrovic M, Gonzalez S, Barceló D, Knepper TP; Polar Pollutants Entry into the Water Cycle by Municipal Wastewater: A European Perspective; Environ. Sci. Technol. 40 (2006) 5451-5458
[4] Reemtsma T and Jekel M; Organic Pollutants in the Water Cycle; WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim (2006)
[5] Seel P, Knepper TP, Gabriel S, Weber A, Haberer K; Kläranlagen als Haupteintragspfad für Pflanzenschutzmittel in ein Fließgewässer - Bilanzierung der Einträge; Vom Wasser 86 (1996) 247-262
[6] Peschka M, Petrovic M, Knepper TP, Barceló D; Determination of two phototransformation products of bentazone using quadrupole time-of-flight mass spectrometry; Analytical & Bioanalytical Chemistry 388 (2007) 1227–1234
[7] Peschka M, Roberts PH, Knepper TP; Analysis, fate studies and monitoring of the antifungal agent clotrimazole in the aquatic environment; Analytical & Bioanalytical Chemistry 389 (2007) 959–968
[8] Castiglioni S, Zucatto E, Crisci E, Chiabrando C, Fanelli R, Bagnati R; Identification and measurement of illicit drugs and their metabolites in urban wastewater by liquid chromatography-tandem mass spectrometry. Anal. Chem. 78 (2006) 8421-8429.
[9] Boleda MR, Galcerán MT, Ventura F; Trace determination of cannabinoids and opiates in wastewater and surface waters by ultra performance liquid chromatography-tandem mass spectrometry. J. Chromatogr. A 1175 (2007) 38-48.
[10] Huerta-Fontela M, Galcerán MT, Ventura F; Ultraperformance liquid chromatography-tandem mass spectrometry analysis of stimulatory drugs of abuse in wastewater and surface waters. Anal. Chem. 79 (2007) 3821-3829
[11] Nieto A, Peschka M, Borrull F, Pocurull E, Marcé RM, Knepper TP; Phosphodiesterase Type V Inhibitors: Occurrence and fate in wastewater and sewage sludge; 2009, In press to Water Research 2009

Stichwörter:
Analytik, Abwasseranalytik, Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil, Kläranlagenablauf, Kläranlage, organische Substanzen, Abwasseranalytik,

L&M 4 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2009.
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