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Schönheit und Kosmetik im alten Ägypten

Das alte Ägypten dient in unserer Gesellschaft immer wieder als Referenz für Hygiene, Körperkult und -pflege: Häufig tragen Schönheitssalons, chirurgische Privat-kliniken und diverse obskure Mittelchen, Tinkturen, Pasten und Düfte zu Unrecht ägyptisch anmutende Bezeichnungen und suggerieren dadurch, auf altes Wissen über ewige Jugend und Schönheit zurückzugreifen. So verkaufen sich auch Parfums und Badeöle viel besser, wenn sie das Gütesiegel eines vermeintlich altägyptischen Namens (freilich ohne Bezug zu originalen Formeln, Düften oder Rezepturen!) aufweisen.

Das altägyptische Verständnis von Schönheit

Tatsächlich hatten die Ägypter einen unbestreitbaren und zeitlosen Sinn für Form, Maß und Ästhetik, den wir auch heute noch teilen. Aber es ist nicht allein die makellose Ebenmäßigkeit im Gesicht der weltberühmten Büste der Königin Nofretete, die uns gefangen nimmt, ebenso ist es die Schönheit und Anmut in fast jeder Darstellung aus dem pharaonischen Ägypten – ob als Plastik, Malerei oder Relief. Die Ägypter waren schön – das war es, was sie in ihren Abbildungen festgehalten wissen wollten und wovon sie auf diese Weise die Nachwelt überzeugen wollten. Was die antiken Bewohner des Niltals darstellten, wurde nach ihrem Verständnis zur Wirklichkeit: Eine Statue beispielsweise ist in altägyptischem Sinn also nicht bloß eine Figur, sondern der Abgebildete höchstpersönlich – dessen ewig auf der Erde weilendes Abbild. Dieses Abbild zu beschädigen (etwa durch das Abschlagen der Nase als Atmungsorgan) bedeutete, den Besitzer der Statue zu zerstören. Als solches ist es natürlich verständlich, dass man zuweilen der Wirklichkeit ein wenig nachhalf und sozusagen „Schönheitskorrekturen“ am steinernen Double vornehmen ließ. Für alle jene, die nun belustigt lächeln, sei an die zahllosen Bildbearbeitungsprogramme erinnert, mit denen wir Abbildungen von uns aus demselben Grund manipulieren!
Das Altern und Erschlaffen der Haut (auch als „Gesichtskrankheit am Kopfe“ bezeichnet!) war etwas, das schon altägyptische Ärzte zu Lebzeiten behandeln wollten. So gibt es einige Rezepte („Heilmittel“) für das „Umwenden der Haut“ bzw. das „Verwandeln eines Alten in einen Jungen“. Hier werden Mischungen aus besonderen Salzen (zuweilen durch Alabasterstaub ergänzt) und Honig genannt, die zu einer einheitlichen Masse verrührt und auf dem Gesicht als eine Art Maske aufgetragen werden sollten [1].
Als über alle Maße wirksam wird jedoch ein anderes Mittel, ein kosmetisches Pflanzenöl, angepriesen, das „Hemait“ genannt wird. Dieses gewann man in einem komplexen Herstellungsverfahren aus insgesamt 150 Litern Früchten: „Wenn man den Körper damit abreibt, kommt eine Verschönerung der Haut dabei heraus und eine Beseitigung der Hautflecken, jeder Art von Hautunreinheiten, jeder Art von Alterserscheinungen, jeder Art von Hautentzündungen, die am Körper sind. Vorzüglich, unzählige Male (erprobt).“ [2]
Darüber hinaus waren die alten Ägypter der gehobenen Bevölkerungsschicht reinliche und gepflegte Menschen. Sie wuschen sich täglich mehrmals mit klarem Wasser – morgens, vor den Mahlzeiten und vor kultischen Handlungen. Ein Frühstück vertrieb (neben Spülungen mit Natron) den schlechten Geschmack und den übel riechenden Atem aus dem Mund, weshalb es wab-ra („Reinigung des Mundes“) genannt wurde. Aus altägyptischen Liebesgedichten etwa aus der Zeit um 1300 v. Chr. erfahren wir, was einer Frau jener Zeit (neben dem Waschen) als grundlegende Bestandteile der Morgentoilette galt – allerdings ist sie so verliebt, dass sie diese vernachlässigt: „Es [das schnell pochende Herz] lässt mich nicht das Hemd anziehen und hindert mich, den Fächer zu greifen. Es lässt mich keine Schminke an mein Auge legen und hält mich ab, mich zu salben.“ [3]. Großer Wert wurde demnach also (damals wie heute!) auf Kleidung, Schminke und wohlriechende und hautpflegende Salböle gelegt.

Kosmetik

Kosmetik erfüllte vielfach einen zweifachen Zweck: Sie verschönerte das Gesicht durch die Betonung hervorhebenswerter Partien, sie wirkte aber auch medizinisch und wurde aus diesem Grund von Männern und Frauen verwendet. Ein bekanntes Beispiel, das auf fast jeder Darstellung eines Ägypters oder einer Ägypterin zu finden ist, ist der charakteristische Lidstrich, der meist bis in den Schläfenbereich verlängert worden ist. Gerade diese Augenschminke schützte das Auge vor einer gefürchteten bakteriellen Entzündung (Trachom), die noch im vergangen Jahrhundert in Ägypten verbreitet und als „Ägyptische Augenkrankheit“ bekannt war. Die rötliche Färbung von Haut und Haaren mittels Henna hatte neben einem verschönernden Effekt auch eine desinfizierende Wirkung bei Wunden [4].
Die ägyptischen Museen der Welt besitzen umfangreiche Kollektionen an Gefäßen für Schminke, Salben, Tinkturen, Parfums und Öle; Schminkpaletten, auf denen die feste Farbe mit Wasser angerührt wurde, Griffel, Löffel, Pinzetten, Rasiermesser und Spiegel.

Wohlgeruch

Der Wohlgeruch einer Person war in einem heißen Land wie Ägypten besonders wichtig und wurde nicht immer allein durch duftende Körperöle sichergestellt, sondern konnte teilweise durch den Schmuck (aus Naturprodukten) bzw. die Haarpflege – sowohl bei Perücken als auch bei echtem Haar – und die Kleidung ergänzt werden. Haare waren dabei – besonders bei Frauen – neben der Funktion als natürlicher Schmuck eine hygienische „Problemzone“, die anfällig für Unreinheit, schlechten Geruch und Ungezieferbefall war. Viele Ägypter rasierten sich deshalb die Haare vollständig ab oder trugen sie kurz und griffen auf kostspielige Perücken zurück. Besonders in den heißen Sommermonaten schwitze man unter üppigen Frisuren, sodass man häufig die Rasur als adäquate Lösung wählte. Allerdings scheint diese Wahl immer individuell gewesen zu sein. Wir kennen Mumien, die mit wundervollen langen Haaren einbalsamiert wurden ebenso wie solche, die mit Perücken bzw. mit kahl oder kurz geschorenen Haaren beigesetzt worden sind. Schriftlich Überlieferungen nennen Balsam, der Kleidung und Haare wohlriechend machte: „ ... mein Busen (ist) voll mit Persea-Früchten, meine Haare schwer von Balsam“ [5], oder: „Ich lasse dich meine Schönheit sehen in einem Hemd aus feinstem Leinen, mit Balsam getränkt“ [6]. Generell war die Rasur des Kopfes immer besonders hygienisch.
Bärte (hierzu wird nicht der künstliche Königs- oder Götterkinnbart gezählt!) waren bei Männern nur vorübergehend modisch und sind an Statuen und in Reliefdarstellungen kurzzeitig und lediglich als schmale Zierde über der Oberlippe zu finden. Ansonsten galt das Tragen eines Bartes in Ägypten als Zeichen von Ungepflegtheit und war Männern eines höheren Standes nur in den Zeiten der Trauer gestattet.
„Feiere einen Festtag (...). Gib Baumharz und bestes Salböl miteinander an deine Nase, Kränze von Lotus und Persea-Früchten an deine Brust!“ [7]
In einer Wolke solchen Wohlgeruchs verbrachten wohlhabende Ägypter die Tage, an denen sie feierten. Zu gerne würden wir heute unsere Nasen von diesem Wohlgeruch umschmeicheln lassen. Wir kennen die Form von Parfumfläschchen, die eine kurzen, bauchigen Gefäßkörper und einen langen, schmalen Hals aufweisen, wodurch eine sparsame Dosierung beim Ausgießen des Inhalts gewährleistet wurde. Leider wissen wir jedoch nicht, wie dieser Inhalt geduftet hat – nach allem, was wir über die Körperpflege und die Ästhetik der alten Ägypter erfahren konnten, dürfte es sich um höchst angenehme Düfte gehandelt haben, die wohl auch unserem Geschmack entsprechen dürften.
Diese Grenze könnte nun bald überschritten werden, denn 2009 gelang uns im Ägyptischen Museum der Universität Bonn der Nachweis eines eingetrockneten Rests der ursprünglichen Inhaltsflüssigkeit eines original verschlossenen Parfumgefäßes der bekannten Pharaonin Hatschepsut (ca. 1479-1457 v. Chr.;). Das Gefäß hatte sich seit Eröffnung des Museums im Jahre 2001 in der Ausstellung befunden und der Lehmverschluss wurde lange als eingeschwemmter Schlamm angesehen. CT-Aufnahmen haben jedoch ergeben, dass es sich um den originalen und unbeschädigten Verschluss dieser Flasche handelt.
Noch in diesem Jahr soll der Verschluss geöffnet und der Inhalt naturwissenschaftlich untersucht werden. Sollte sich dabei herausstellen, dass es sich um eine ausreichende Menge des einstigen Parfüms handelt, wäre es weltweit erstmals möglich, eine Vorstellung des Dufts zu erhalten, der vor 3500 Jahren im Königspalast von Ägypten aufgetragen worden war. Mit diesem Schritt würden wir in einen Bereich der Sinneswelt der Vergangenheit vorstoßen, der uns bislang als unwiederbringlich verloren galt.

Foto: © M.A. Michael Höveler-Müller

Literatur
[1]
Vgl. Westendorf, W. (1966), Papyrus Edwin Smith. Ein medizinisches Lehrbuch aus dem alten Ägypten, 105–108
[2]
nach Westendorf, W. (1966), Papyrus Edwin Smith. Ein medizinisches Lehrbuch aus dem alten Ägypten, 105–108, bes. 107; s. auch Germer, R. (2002), Die Heilpflanzen der Ägypter,103
[3]
aus dem Papyrus Chester Beatty I, „Sprüche der Großen Herzensfreude“, Lied IV, nach der Übersetzung von Hornung, E. (1996), Altägyptische Dichtung, 141
[4]
Germer, R. (2002), Die Heilpflanzen der Ägypter, 106-113
[5]
aus dem Papyrus Harris 500, Lied 8, nach der Übersetzung von Hornung, E. (1996), Altägyptische Dichtung, 147
[6]
Text auf einer beschrifteten Kalksteinscherbe in Kairo, nach der Übersetzung von Hornung, E. (1996), Altägyptische Dichtung, 151
[7]
aus einem Harfnerlied im Grab des Priesters Nefer-hotep in der thebanischen Totenstadt westlich der modernen Stadt Luxor (Grab TT 50)

Stichwörter:
Ägypten, Kosmetik

L&M 3 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 3 / 2009.
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