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Isothermale Amplifikation in der Lebensmittelanalytik – eine echte Alternative zur klassischen PCR

Isothermale Amplifikation in der Lebensmittelanalytik – eine echte Alternative zur klassischen PCR

Vertrauen ist gut, ­Kontrolle ist besser

Das genetische Erbmaterial – die Desoxyribonukleinsäure oder kurz DNA –
ist für ­jedes ­Lebewesen einzigartig und kann daher wie ein Fingerabdruck zur ­Identifizierung genutzt ­werden. Die DNA-­Analyse ist damit ein unverzichtbares Werkzeug in der Lebensmittel­sicherheit und Echtheitskontrolle von Rohware und verarbeiteten Produkten geworden. Die etablierte Methode zum Nachweis von ­bestimmter Ziel-DNA in einer Probe ist die ­Polymerase-Kettenreaktion, kurz PCR.

In den letzten Jahren erschienen aber zunehmend ­neuere und einfachere Methoden, die durchaus das Potenzial haben, die klassische PCR in ­einzelnen Bereichen abzulösen und in vielen Anwendungsgebieten jedenfalls eine interessante Alternative darstellen. Mit der isothermalen Amplifikation von DNA entstand eine neue ­Generation an Tests, die nicht nur sehr viel schneller als die herkömmliche PCR sind, sondern auch das Potenzial haben, außerhalb eines Labors durchgeführt werden zu können.

Ein Blick durch die Medienlandschaft der letzten Jahre lässt schnell erkennen, dass viele Lebensmittel nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen. Fahrlässigkeit oder Betrugsversuche in der Nahrungsmittelindustrie können oft auch schwerwiegende gesundheitliche Folgen für den Konsumenten haben. Methoden für den Nachweis von Krankheitserregern, Allergenen oder anderen unerwünschten Bestand­teilen gibt es viele. Doch diese haben alle ein gemeinsames Problem – sie sind teuer, zeitintensiv und erfordern fast immer ein Labor für die Durchführung. Der steigende Nahrungsmittelbedarf und das zu­nehmende Bedürfnis nach kontrollierten Lebens­mitteln stellen sowohl die Industrie als auch die Behörden vor immer neue Herausforderungen. Von allen Seiten wird der Ruf nach raschen und einfachen Nachweis­methoden für spezifische DNA immer lauter.

Fragezeichen auf dem Teller

Am Etikett eines Nahrungsmittels müssen Herkunftsland, Ablaufdatum und Zutaten ange­geben sein. Wir erhalten keinen Aufschluss darüber, ob das Produkt mit Krankheitserregern ver­unreinigt ist, ob alle Inhaltsstoffe tatsächlich angegeben sind oder ob sich darin allergieauslösende Stoffe oder gentechnisch veränderte Bestandteile befinden. Viele der Lebensmittel, die auf unseren Tisch kommen, werden bereits untersucht, kontrolliert und evaluiert, aber dafür braucht es ein Labor und geschultes Personal, das die entsprechenden Analysen durchführen kann. Es mangelt an schnellen und simplen Nach­weismethoden, die in weniger als zwei Stunden ein Ergebnis liefern können.

Listerien in Milchprodukten

Ende 2009 wurde in Sauermilchkäse das Bakterium Listeria monocytogenes entdeckt. 33 Menschen erkrankten an Listeriose, davon verstarben acht. Damit liegt die Sterberate bei knapp unter einem Drittel der Erkrankten und zeigt dabei, wie gefährlich eine Kontamination mit diesen Erregern werden kann. Ursache dafür waren ­hygienetechnische Missstände sowie die Verarbeitung von abgelaufenen Enzymen und anderen Zutaten.

Pferdefleisch im Rindfleischbällchen

2013 erschütterte der Pferdefleisch-Skandal ­Europa. In einer Vielzahl von Fertig-Fleischprodukten wurde Pferdefleisch gefunden, das dabei natürlich nicht als Inhaltsstoff deklariert war. Eines der am häufigsten veterinärmedizinisch eingesetzten Medikamente ist Phenylbutazon, das als Schmerzmittel und Entzündungshemmer eingesetzt wird, oft auch bei Pferden. Die EU hat dieses Medikament bei Tieren, die der Fleischproduktion zugeführt werden sollen, bereits verboten, da es gesundheitlich bedenklich sein könnte. Der Verzehr von nicht deklariertem Pferdefleisch kann also gesundheitliche Folgen haben. Ganz abgesehen davon handelt es sich schlichtweg um Betrug durch falsche Kennzeichnung, denn Rindfleisch ist wesentlich teurer.


Abb. 1 Schematischer Ablauf der isothermalen LAMP-Reaktion. Ausgehend von einem DNA-Zielbereich (rot) werden so genannte Loop-­Strukturen ausgebildet (grün). Im Gegensatz zur PCR werden bei der LAMP nicht eine Vielzahl an einzelnen, kurzen Produkten (Amplikons) gebildet, sondern lange Produktketten mit immer ­wiederkehrenden Sequenzen. Die Vermehrung der DNA erfolgt nicht in Zyklen, sondern konti­nuierlich, weshalb eine große Menge an Produkt-DNA entsteht. Die Fragmente können dabei ­Längen von über 20 Kilobasenpaaren erreichen.

Gentechnisch veränderter Mais

Ein seit Jahren heiß diskutiertes Thema ist auch die Beimengung von gentechnisch verändertem Mais zu diversen Produkten und Futtermitteln. Ob mit dem Verzehr von so genannten GVOs (gentechnisch veränderten Organismen) ein Gesundheitsrisiko besteht, konnte bis heute nicht vollständig geklärt werden und sei somit dahingestellt. Nichtsdestotrotz haben mittlerweile viele Länder ihre eigenen Regelungen im Hinblick auf die Grenze des Gehalts an GVOs, ab der ein Produkt entsprechend gekennzeichnet werden muss. Auch in diesem Fall entspricht die Angabe am Etikett nicht immer der Wahrheit.

Lebensmittelallergene

Obwohl die meisten Allergene mittels ELISA – enzyme-linked immunosorbent assay – über Antikörper nachgewiesen werden, kann diese Methode nicht immer verwendet werden, z.B. im Fall von Sellerie. Zu eng ist die Verwandtschaft zu anderen Pflanzen wie Karotte und ­Petersilie, die häufig Seite an Seite mit Sellerie in Soßen, Gewürzmischungen und Fertigproduk­ten eingesetzt werden. Seit 2005 gilt Sellerie jedoch als potenziell allergieauslösender Bestandteil und muss daher am Etikett deklariert werden. Hier kann wiederum nur ein DNA-basiertes Nachweisverfahren Abhilfe schaffen.

Alle genannten möglichen Inhaltsstoffe entspringen lebenden Organismen und bringen daher ihre spezifische DNA in ein Produkt ein. Diese kann als spezifischer Nachweis genutzt werden und DNA hat gegenüber anderen Analyten essenzielle Vorteile. Sie ist sehr stabil, d.h., dass auch stark prozessierte Lebensmittel analysiert werden können. Selbst durch längeres ­Kochen wird die DNA nur wenig beschädigt und ermöglicht noch positive Nachweise. Außer­dem können so selbst sehr eng verwandte Orga­nismen unterschieden werden, beispielsweise Sellerie und Petersilie, und es reichen wenige Kopien für eine zuverlässige Detektion aus.


Abb. 2 Einfache Visualisierung der Testresultate von isothermalen Amplifikationen: Die Zugabe eines DNA-Interkalationsfarbstoffes lässt positive Proben grün fluoreszieren.

Revolution im Versuchsröhrchen

1983 entwickelte Kary Mullis die PCR, und veränderte damit die Zukunft der Molekularbio­logie und der molekularen Diagnostik grund­legend. Von nun an war es möglich, innerhalb weniger Stunden ein einzelnes, gewünschtes DNA-Molekül millionenfach zu vervielfältigen und somit auch nachweisen zu können. Ein großer Nachteil dieser konventionellen PCR ist die Notwendigkeit eines Thermocyclers, der das Reaktionsgemisch zyklisch in wenigen Sekunden erhitzen, abkühlen und wieder erhitzen muss. Teuer ist nicht nur die Anschaffung des Gerätes selbst, sondern auch die Wartung und Bedienung durch geschultes Personal. Außerdem muss DNA, die aus einer komplexen Probenmatrix extrahiert wird, gut aufgereinigt werden, da co-isolierte Inhibitoren den Ablauf der Reaktion stören können.

Isothermale DNA Amplifikation als Alternative zur PCR

Die Entdeckung thermostabiler DNA-Polymerasen mit so genannter „strand displacement activity“ – also mit der Fähigkeit, die DNA-Doppelstränge nach dem Reißverschlussprinzip aufzutrennen und so zeitgleich die Verlängerung bzw. Neusynthese des Einzelstrangs zu ermöglichen – führte rasch zur Entwicklung vieler neuer Amplifikationstechniken. Einer der grundlegendsten Vorteile ist die Tatsache, dass diese Reaktionen isothermal – also bei ein und derselben Temperatur – durchgeführt werden können und keine Zyklen mit unterschiedlichen Temperaturen mehr notwendig sind. Diese Eigenschaft macht den Thermocycler, wie er in der konventionellen PCR eingesetzt wird, überflüssig – isothermale Ampli­fikationsreaktionen können auf einem einfachen Heizblock durchgeführt werden. Zudem ist die Energieaufnahme durch die konstante Temperatur wesentlich geringer als bei abwechselndem Heizen und Kühlen, was die Möglichkeit zu einem kleinen, batteriebetriebenen Instrument eröffnet.


Abb. 3 Für die isothermale Amplifikation ist nur wenig Laborausstattung nötig: eine Pipette und ein gewöhnlicher Heizblock. Die Farbänderung von Proben ist leicht zu erkennen, positive Proben fluoreszieren deutlich grün, negative bleiben orangefarben.

LAMP – das Rennpferd unter den isothermalen Methoden

Vor allem eine isothermale Amplifikationsmethode hat sich besonders profiliert – die „Loop-mediated Isothermal Amplification“, kurz LAMP [1]. Diese Methode besticht nicht nur durch ihre Robustheit und Stabilität, sondern auch durch die Einfachheit in der Durchführung (Abb.1). Die Reaktion an sich ist komplex – sechs verschiedene Primer binden an die Ziel-DNA und modifizieren den Strang so, dass die Enden schlaufenartig an sich selbst binden und eine hantelförmige Struktur bilden. Durch die weitere Anlagerung der Primer an diese Struktur entsteht mit jedem Zyklus eine längere Kette aus den aufeinander folgenden Zielsequenzen, sodass in weniger als 30 Minuten eine ungeheure Anzahl an DNA vervielfältigt wird. Der Vorteil ist, dass die erforderlichen Reagenzien bereits fertig gemischt und gefriergetrocknet werden können und für den Reaktionsstart lediglich Wasser und die extrahierte Probe zugegeben werden müssen. Das Reaktionsgefäß wird dann nur noch auf eine bestimmte Temperatur erhitzt und schon beginnt die Reaktion zu laufen. Nach der gegebenen Zeit von ungefähr 30 bis 45 Minuten wird ein interkalierender Fluoreszenzfarbstoff zugegeben. Diese Art von Farbstoff kann sich nur in doppelsträngige DNA einlagern, die wiederum nur bei erfolgreicher Amplifika­tion des Zielmoleküls entsteht. Lagert sich dieser Farbstoff zwischen doppelsträngige DNA, kommt es zu einem Farbumschlag von kräftigem Orange zu leuchtendem Grün (Abb.2). Dafür ist weder eine UV-Lampe noch ein anderes Gerät notwendig, die Farbreaktion ist klar und deutlich mit freiem Auge erkennbar.

„PCR“ für die Westentasche

Muss kein Thermocycler angeschafft, gewartet und bedient werden, entsteht dadurch eine ­enorme Kosten- und Zeitersparnis. Ein Heizblock mit Maßen um die 10x15 cm reicht für die Durchführung einer isothermalen Reaktion aus und das Ergebnis ist sofort mit freiem Auge nachvollziehbar (Abb.3). Die Möglichkeiten der Testentwicklung für Problemstellungen wie Pferdefleisch, bakterielle Kontaminationen, „Gen“-Mais u.Ä. sind nahe­zu unbegrenzt. In ­Zukunft können solche Tests überall vor Ort durchgeführt werden und es braucht dazu nicht mehr als einen kleinen Koffer, der alle ­notwendigen Reagenzien und Geräte enthält, mit dem von der DNA-Extraktion bis hin zum Testergebnis alle Reaktionen in weniger als zwei Stunden durchgeführt werden können.

Die Arbeitsgruppe Molekulare Diagnostik am IFA-Tulln entwickelte bereits isothermale Amplifikationstests für Sellerie [2] und gentechnisch veränderten Mais [3]. Die aktuellen Entwicklungen konzentrieren sich auf die Unterscheidung von Tierarten (Pferd, Rind und Schwein) mittels dieser viel versprechenden Methoden. In allen Experimenten zeigte sich, dass diese einfache Art der Analyse der klassischen PCR weder in der Selektivität noch in der Sensitivität hinterherhinkt. Im Fokus der ­Testentwicklung sollen zukünftig nicht nur Nachweismethoden für Lebensmittel, sondern auch für Wasser stehen. Auch in diesem Bereich wären schnellere und simplere Tests notwendig, um die Sicherheit beim Konsum von Trinkwasser langfristig zu gewährleisten, vor allem in Entwicklungsländern. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt und es ist gut denkbar, dass in einigen Jahren die klassische PCR in vielen Bereichen von den neuen, isothermalen Methoden zurückgedrängt wird.

Literatur

[1] Notomi T. et al. (2000) Nucleic Acids Research 28(12), I–VII
[2] Zahradnik, C. et al., in press. DOI: 10.1007/s00216-014-7873-x
[3] Zahradnik, C. et al., in press. DOI: 10.1007/s00216-014-7889-2

Bild: © panthermedia.net| picsfive

L&M 6 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2014.
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