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Forschung an den Beschleunigeranlagen von GSI und FAIR in Darmstadt

Physik und Chemie der superschweren Elemente

Was passiert bei einer Sternexplosion? Warum kommt ­Antimaterie im Universum offenbar kaum vor? Wie sind die chemischen Elemente entstanden? Wie viele Elemente gibt es überhaupt und was sind ­ihre ­Eigenschaften? Diese und viele andere Fragen treiben die Wissenschaftler an der ­GSI Helmholtz­zentrum für Schwerionenforschung GmbH und an der zukünftigen Facility for Antiproton and Ion ­Research (FAIR) in Darmstadt an.

GSI hat seit der Gründung vor über 40 Jahren zahlreiche wichtige Beiträge zum Verständnis grundlegender chemischer und physika­lischer Zusammenhänge geliefert. Sie liefern neue Erkenntnisse über den Aufbau der Materie und die Entwicklung des Universums. Aus der Grundlagenforschung bei GSI ergeben sich außerdem immer wieder neue Anwendungen in Medizin und Technik, beispielsweise die Entwicklung einer neuartigen Tumortherapie (Beitrag in dieser Zeitschrift: Kraft, G. (2005), Tumortherapie mit Schwerionen, labor&more 1, 50 – 51).

Superschwere Elemente und ihre Eigenschaften

Herausragende Ergebnisse der Forschung bei GSI sind die Entdeckungen von sechs neuen chemischen Elementen. Mithilfe der GSI-Beschleuniger gelang den Wissenschaftlern die Synthese der Elemente 107 bis 112. Das Element 108 haben sie nach dem Bundesland Hessen (lat. Hassia) auf den Namen Hassium getauft. Element 110 heißt Darmstadtium nach der Sitzstadt Darmstadt. Um ein neues superschweres Element zu erzeugen, verwenden die Wissen­schaftler zwei Elemente, die auf der Erde vorkommen und deren Atomkerne zusammen genommen so viele Protonen besitzen wie das neue Element. Dann versuchen sie, die Kerne der beiden Elemente zu verschmelzen, sodass daraus ein neuer, viel größerer und schwererer Atomkern entsteht. Dafür beschleunigen die Forscher ­geladene Atome, die so genannten Ionen, des einen Elements im Beschleuniger auf hohe Geschwindigkeiten – etwa 30.000 Kilo­meter pro Sekunde. Die beschleunigten Ionen schießen sie dann auf eine hauchdünne Schicht des zweiten Elements. ­Dieser Aufprall darf nicht bei zu hoher Energie stattfinden, damit die beiden Kerne zusammenbleiben. Gleichzeitig muss die Energie hoch genug sein, um die Coulomb-Abstoßung der beiden Kerne zu überwinden. Die Produktionsraten sind jedoch sehr ­gering, sodass der Erfolg manchmal Tage oder sogar Wochen auf sich warten lässt. Mithilfe eines sehr empfindlichen Nachweisdetektors wird das neue Element identifiziert. Die neuen Elemente sind instabil und zerfallen teilweise schon nach Bruchteilen von Sekunden in leichtere Elemente. Dabei sendet der zerfallende Atomkern eine charakteristische Folge von Alpha-Teilchen aus. Ihre exakte Vermessung im Detektor erlaubt den eindeutigen Nachweis des neuen Elements. Die Wissenschaftler vermuten, dass schwerere Elemente mit großer Neutronenzahl wieder stabiler sein sollten. Diese so genannte „Insel der Stabilität“ möchten sie genauer erforschen. Auch die Elemente 114 und 116 konnten an der GSI-Anlage hergestellt werden. Damit wurden die Messergebnisse der Forschergruppe bestätigt, die diese Kerne in Russland als Erste produziert hat. Als bisher schwerstes wurde das Element 118 nachgewiesen. Doch die Forscher sind auf der Jagd nach noch schwereren Kernen im Bereich der Elemente 119 bis 126, bei denen sie längere Lebensdauern vermuten. Diesen Bereich nennen sie „Insel der Stabilität“. Auch die chemischen Eigenschaften der neuen Elemente interessieren die Forscher. Bei ihren Experimenten untersuchen sie das chemische Verhalten anhand von wenigen bis einzelnen Atomen. Verhält sich ein neues Element so, wie man es laut seiner postulierten Einordnung im Periodensystem der Elemente annehmen würde? Oder führen relativistische Effekte in der Elektronenhülle zu ganz unerwarteten Eigenschaften?



Detektor zum Nachweis superschwerer Elemente. Sie treffen auf die mit Silizium be­schichte Fläche des Detektors. Über die Zerfallskette kann das ­Element identifiziert werden.

Mit Hassium wurden bereits erfolgreich chemische Experimente durchgeführt und die Sauerstoffverbindung Hassiumtetroxid konnte nachgewiesen werden, deren Verhalten dem Osmiumtetroxid ähnelt. Besonders interessantfür die Zukunft sind chemische Experimente mit Element 114 – theoretische Vorhersagen sind nicht eindeutig, ob es sich wie ein Edelmetall oder wie ein Edelgas verhalten wird.

Die Zukunft: FAIR

Trotz der enormen Fortschritte gibt es noch viele ungelöste Fragen zum Aufbau der Materie und zur Evolution des Universums. Für ihre Beantwortung sind immer leistungs­fähigere und präziser arbeitende Beschleunigeranlagen nötig. Mit FAIR – Facility for Antiproton and Ion Research in Europe – entsteht ein internationaler Beschleunigerkomplex für die Forschung mit Ionen und Antiprotonen, der an die bestehenden GSI-Anlagen angeschlossen wird. FAIR ist weltweit das größte Forschungsvorhaben der physikalischen Grundlagenforschung in dieser Dekade. Der Bau hat bereits begonnen, im Jahr 2018 sollen die ersten Teile der Anlage betriebsbereit sein. Auch für die Suche nach neuen superschweren Elementen kann FAIR eingesetzt werden. Um die Kerne zu erzeugen, sind schwere, neutronenreiche Ausgangsprodukte notwendig. Diese sind oftmals selbst bereits radioaktiv und kommen nicht in der Natur vor. An FAIR könnten Strahlen aus diesen radioaktiven Stoffen erzeugt und für die Synthese neuer Kerne, auch solcher mit Ordnungszahlen größer 118, genutzt werden. Eine der zentralen wissenschaftlichen Fragestellungen an FAIR ist die nach der Entstehung der Elemente im Universum. Die Kerne, die schwerer als Eisen sind, entstehen am Ende der Ära großer Sterne in so genannten Roten Riesen und in gewaltigen Supernova-Explosionen. Bisher haben wir in weiten Teilen nur ein qualitatives Verständnis dieser Nukleosynthese, die detaillierten Abläufe sind noch weitgehend ungeklärt. An der neuen Anlage FAIR können die Wissenschaftler die Kerne, die als radio­aktive Zwischenglieder auf dem Weg zu den stabilen Isotopen auftreten, künstlich herstellen und untersuchen. Auf diese Weise lassen sich im Laborexperiment die ver­schlungenen Pfade der Nukleosynthese nachzeichnen. Dies eröffnet uns faszinierende neue Erkenntnisse über den Ursprung der Elemente – und damit unserer eigenen Existenz.

Foto GSI-Linearbeschleuniger | © Gaby Otto, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung
Detektor | © A. Zschau, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung
Horst Stöcker | © Gaby Otto, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung

L&M 5 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2013.
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